Handlungsfelder im Komplexitätsmanagement
Wie können Produktvarianten geschickt substituiert werden? Wie kann eine intelligente Preispolitik die Marge verbessern? Und…
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Termintreue und Lieferzeit sind die aus Kundensicht entscheidenden Leistungsmerkmale einer Auftragsabwicklung. Produzierende Unternehmen versuchen daher, den Prozessablauf der Auftragsabwicklung optimal zu gestalten. Die Process Mining Technologie ist der nächste große Innovationssprung, um Lieferzeit und Termintreue auch in komplexen Wertschöpfungsnetzwerken entscheidend verbessern zu können. In diesem Artikel möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie Process Mining in Ihrem Unternehmen nutzen können.
Process Mining ist eine neue analytische Disziplin zum Erkennen, Überwachen und Verbessern operativer Geschäftsprozesse in Unternehmen. Dabei werden die Realprozesse anhand von Ereignisprotokollen aus den operativen ERP-Systemen in ihrer gesamten Vielfalt rekonstruiert. Das Besondere ist, dass für diese Analysen keine aufwendigen Datentransformationen notwendig sind: Die gängigen Programme nutzen Standardkonnektoren, setzen auf den unveränderlichen Grundtabellen der ERP-Systeme auf und integrieren Stamm- und Bewegungsdaten zu Produkten, Materialien, Kunden und Weiteren.
Mit Hilfe dieser digitalen Spuren können Prozessabweichungen analysiert werden. Erstmals ermöglicht Process Mining dabei eine präzise und allumfassende Quantifizierung:
Die Process Mining Technologie ist ein Innovationssprung in der Optimierung der Auftragsabwicklung.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Weil der Gewinn an Lieferzeit und Termintreue genau bestimmt werden kann, können Investments per Business Case erstmals valide gerechtfertigt werden. Unternehmen treffen somit wirtschaftlich bessere Entscheidungen und können gezielter investieren.
Darüber hinaus können auf Basis der Performance die jeweiligen Best-Practice-Prozesse identifiziert werden. Gibt es beispielsweise eine Produktkategorie, die gegenüber anderen eine besonders hohe Termintreue aufweist, so lassen sich die Unterschiede in der Prozesskette visuell und quantitativ analysieren. Suboptimale Prozessschritte können nun iterativ angepasst werden.
Senior Manager Supply Chain
Sie wollen Ihre Termintreue optimieren oder haben Fragen zum Einsatz von Process Mining in der Supply Chain? Dann schreiben Sie mir gerne eine Nachricht und ich antworte Ihnen so schnell wie möglch.
Als Teil des SAP OpenEcoSystem sowie zertifizierter Partner von Celonis nutzt Rothbaum die Celonis Process Mining Technologie, weshalb dieser Artikel im Speziellen auf Celonis und SAP ausgerichtet ist. Darüber hinaus existiert lediglich eine Handvoll ernstzunehmender Anbieter der Process Mining Technologie. Wenn Sie mehr über die Technologie an sich und die Anbieter erfahren wollen, empfehle ich Ihnen diesen Artikel.
Nachfolgend möchte ich Ihnen zeigen, wie Sie Process Mining in Ihrem Unternehmen aufsetzen können und wie Sie vorgehen müssen, um diese neue Technologie wertsteigernd einzusetzen.
Das Setup für ein Process Mining Projekt folgt bekannten Mustern. Neben dem Projektleiter, den Fachabteilungen und ggf. externer Unterstützung sind es aber vor allem die IT-Abteilung und das Analyse-Team, denen besondere Bedeutung zukommt. Process Mining Projekte sind zu Anfang sehr datenintensiv, denn die digitalen Spuren der Prozesse finden sich erst tief in den Systemen. Klären Sie ganz zu Anfang daher folgende Fragen und ziehen Sie die notwendigen Experten in Ihr Projektteam:
Process Mining ist datenintensiv. Ziehen Sie die notwendigen Ressourcen in Ihr Projekt-Team.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Grundsätzlich müssen Sie entscheiden, ob das Datenmodell unternehmensintern (On-Premises) oder extern (Off-Premises, z.B. in einer Cloud) gehostet werden soll. Zudem existieren zwei Möglichkeiten, die Daten bereitzustellen:
Für den Anfang würde ich Ihnen raten, ein statisches Datenmodell zu wählen, welches unternehmensintern gehostet, da die Aufwände und Komplikationen deutlich geringer sind – schließlich enthalten Prozessdaten oftmals vertrauliche Informationen. Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen Erfahrung gesammelt und Vertrauen zum Lösungsanbieter aufgebaut haben, sind dynamische und Cloud-basierte Lösungen aufgrund der besseren Datenqualität und einfacheren Wartung zu bevorzugen.
Die folgenden SAP-Tabellen sind für das Datenmodell des Auftragsabwicklungsprozesses notwendig:
Zusätzlich können und sollten weitere Tabellen verknüpft werden, um zusätzliche Informationen bereitzustellen, wie z.B. Materialstammdaten (MARC) oder Kundenstammdaten (KNA1, KNB1).
So wird es einfach: Celonis kann die SAP-Grundtabellen bereits im Standard interpretieren.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Da Celonis speziell (aber nicht ausschließlich) für SAP entwickelt wurde, können die Grundtabellen ohne weitere Bearbeitung eingelesen werden. Es sind keine weiteren, manuellen Datentransformationen notwendig. Sie benötigen jedoch eine individuell erstellte „Übersetzung-Tabelle“, welche die relevanten Ereignisse definiert und diese allgemein verständlich benennt.
Die folgende Abbildung zeigt ein beispielhaftes, relationales Datenbankmodell:
Bevor Sie aus Ihrem Process-Mining-Modell Erkenntnisse ziehen können, müssen erst noch die passenden Analysen erstellt werden. Auch hier greift Ihnen Celonis unter die Arme und ermöglicht einen direkten Einstieg in die Process Mining Welt. Für viele Standardprozesse können fertige, vorkonfigurierte Analysen aus der Celonis Anwendung installiert werden, so auch für den Auftragsabwicklungsprozess. Insgesamt stehen über 400 fertige Analysen bereit und es kommen stetig neue dazu.
Die vorkonfigurierten Analysen für den Auftragsabwicklungsprozess sind ein guter Startpunkt.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Die meisten Unternehmen nutzen jedoch individualisierte SAP-Systeme, weshalb auch die vorkonfigurierten Analysen in Celonis zumeist weiterentwickelt werden müssen. Diese Analysen geben Ihnen einen Überblick über Ihren Prozess und verschaffen erste Erkenntnisse. Für individuelle Fragestellungen können Sie die Analysen natürlich anpassen und weitere Elemente hinzunehmen.
Sobald die Daten vorliegen und die nötigen Auswertungen angepasst worden sind, können Sie zum wichtigsten Teil der Analyse übergehen: die Abweichungs- und Ursachenanalyse.
Die integrierte Ursachenanalyse in Celonis ermöglicht es Ihnen, schnell zu ersten Erkenntnissen zu gelangen.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Den Ausgangspunkt hierzu bildet der Process Explorer. Der Process Explorer ermittelt den häufigsten Prozessfluss innerhalb der Auftragsabwicklung. Dieser entspricht in der Regel dem gewünschten Soll-Prozess. Hiervon ausgehend können Sie schrittweise die weiteren Prozessvarianten einblenden, um so nach und nach alle Abweichungen vom Soll-Auftragsabwicklungsprozess zu visualisieren und nachzuvollziehen.
Im dargestellten Beispielprozess entsprechen 67% der betrachteten Fälle dem Soll-Auftragsabwicklungsprozess. Durch Einblenden der nächsten beiden Varianten wächst der Betrachtungsumfang auf 96% aller Fälle.
Der nächste Schritt besteht darin, typische Abweichungsmuster zu erkennen und den Fokus der Betrachtung auf die Fälle zu legen, die Muster aufweisen. Konzentrieren Sie sich vor allem auf Prozessschritte, die eine oder mehrere Schleifen verursachen oder eine lange Durchlaufzeit aufweisen. Hierzu können Sie die Durchlaufzeitanalyse von Celonis nutzen.
Haben Sie die relevanten Abweichungen identifiziert, können Sie die Auswahl der Fälle nach den betreffenden Abweichungen filtern und dann weiter in den Drilldown einsteigen. Dabei ist es wichtig, jede relevante Abweichung für sich allein zu betrachten, um die Ursachen eindeutig ermitteln zu können. Weitere Unterstützung bietet die integrierte Ursachenanalyse von Celonis, welche Abweichungen vom Soll-Prozess hervorhebt, Bottlenecks im Prozess identifiziert und mögliche Ursachen aufzeigt.
Versuchen Sie die Ursachen nachzuvollziehen und hierzu die verknüpften Daten sinnvoll einzusetzen. Möglicherweise treten Verzögerungen in der Auftragsabwicklung nur bei bestimmten Produktgruppen auf oder es sind nur bestimmte Regionen oder einzelne Kunden betroffen. Bei der Untersuchung einer problematischen Produktgruppe werden Sie beispielsweise feststellen, dass ein wichtiger Lieferant seinem Lieferversprechen nicht nachkommt. Eine solche Ursachenanalyse sollten Sie für jede größere Abweichung durchführen. Durch Celonis sind Sie dabei erstmals in der Lage, den Zugewinn an Termintreue durch die Problembeseitigung in präzisen Prozentpunkten zu bestimmen.
Nachdem Sie eine Reihe von Abweichungen identifiziert und untersucht haben, sollten Sie sich als nächstes der Prozessverbesserung widmen. Als erstes sollten Sie die vorhandenen Abweichungen clustern, denn vielfach werden für ähnliche Abweichungen dieselben Maßnahmen zum Erfolg führen. Hierdurch können Sie besser quantifizieren, wie viel Verbesserung Sie durch eine einzelne Maßnahme erzielen können (z. B. Verbesserung der Termintreue). Die Cluster helfen Ihnen bei der Priorisierung Ihrer Maßnahmen.
Process Mining ist im hohen Maße schneller, präziser und umfangreicher als die klassische Prozessanalyse.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Innerhalb der einzelnen Cluster sollten Sie sich vor allem darauf konzentrieren Engpässe aufzulösen und Prozessschleifen zu beseitigen. Bei Engpässen können Sie beispielsweise Ihr Lieferantennetzwerk vergrößern oder eine Bestandsoptimierung der Rohmaterialien durchführen. Um Prozessschleifen in den Griff zu bekommen, sollten Sie auf standardisierte Prozessabläufe setzen. Versuchen Sie generell die Prozessvarianz klein zu halten, denn je weniger unterschiedliche Prozessabläufe es gibt, desto weniger Abweichungen können dabei auch entstehen.
Durch die Standardisierung und Reduktion der Prozessvarianz schaffen Sie auch die Voraussetzung für den nächsten Schritt, die Prozessautomatisierung. Repetitive, standardisierte Prozessschritte können heutzutage durch technische Mittel automatisiert werden, das Stichwort hierfür lautet Robotic Process Automation (RPA). Auch bei diesem Thema kann Celonis Sie mit den enthaltenen Modulen für Prozessautomatisierung unterstützen. Alternativ können Sie auch auf die bekannten RPA Anbieter wie Blue Prism oder UiPath setzen.
Was unterscheidet Process Mining in der Auftragsabwicklung nun abschließend von der klassischen Prozessanalyse? Im Vorgehen gibt es Parallelen und Unterschiede: Beide Ansätze dringen tief in die Prozessabläufe vor und benötigen eine intensive, erklärende Begleitung der Fachabteilung.
Process Mining im Live-Betrieb ermöglicht es Ihnen als Unternehmen, fortlaufend und ohne externe Unterstützung an der Verbesserung Ihrer Prozesse zu arbeiten.
Dr.-Ing. Kai P. Bauer, Senior Manager
Die klassische Prozessanalyse kann jedoch keine umfängliche Betrachtung großer Produktportfolios leisten und Potentiale können ohne aufwendige Datenanalyse nicht quantifiziert werden. Genau hier entwickelt das Process Mining Vorteile:
Insbesondere die Nachhaltigkeit möchte ich besonders hervorheben, denn sie unterscheidet sich vom „normalen“ technologischen Fortschritt. Durch seine Konnektoren ist ein einmal aufgesetztes Process Mining Modell in der Lage, ohne große Aufwände fortlaufende Erkenntnisse über die Prozesse der Auftragsabwicklung zu liefern. Process Mining kann von den operativen Organisationseinheiten in den Arbeitsalltag integriert werden und hat damit das Potential, ein wertvolles Instrument in deren Steuerung und spürbarer Optimierungshebel zu werden.
Ist die klassische Prozessanalyse der Auftragsabwicklung damit auf dem Abstellgleis? Mitnichten, aber ihre Rolle ändert sich. Die Stärke der bewährten Methodik ist die Tatsache, dass die handelnden Personen ein tiefes Prozess- und Produktverständnis aufbauen. Und ohne dieses Wissen kann ein Process Mining Projekt auch nicht auskommen. Damit schließt sich der Kreis und es wird klar: Process Mining ist die Zukunft – die klassischen Prozessanalyse aber bleibt die Basis. Ein erfolgreiches Projekt kombiniert deshalb beide Ansätze, um Lieferzeit und Termintreue nachhaltig zu verbessern.
Senior Manager, Hamburg
Kai Philipp Bauer studierte Maschinenbau mit Schwerpunkt Produktionstechnik und ist seit über zehn Jahren in der Beratung tätig. Er berät seine Klienten insbesondere in Fragen der Strategieentwicklung, des Operations Managements und der digitalen Transformation.
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